Type de texte | source |
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Titre | Laokoon |
Auteurs | Lessing, Gottold Iphraïm |
Date de rédaction | |
Date de publication originale | 1766 |
Titre traduit | |
Auteurs de la traduction | |
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Date d'édition moderne ou de réédition | 1880 |
Editeur moderne | Blümmer, H. |
Date de reprint |
(XXVII), p. 333-335
Ich werde in meiner Meinung, daß die Meister des Laokoons unter den ersten Kaisern gearbeitet haben, wenigstens so alt gewiß nicht sein können, als sie Herr Winckelmann ausgibt, durch eine kleine Nachricht bestärket, die er selbst zuerst bekannt macht. Sie ist diese [[3:Geschischte t. II S. 347]]:
»Zu Nettuno, ehemals Antium, hat der Herr Kardinal Alexander Albani, im Jahre 1717, in einem großen Gewölbe, welches im Meere versunken lag, eine Vase entdecket, welche von schwarz greulichem Marmor ist, den man itzo Bigio nennet, in welche die Figur eingefüget war; auf derselben befindet sich folgende Inschrift:
ΑΘΑΝΟΔΩΡΟΣ ΑΓΗΣΑΝΔΡΟΥ
ΡΟΔΙΟΣ ΕΠΟΙΗΣΕ
»Athanodorus, des Agesanders Sohn, aus Rhodus, hat es gemacht.« Wir lernen aus dieser Inschrift, daß Vater und Sohn am Laokoon gearbeitet haben, und vermutlich war auch Apollodorus (Polydorus) des Agesanders Sohn; denn dieser Athanodorus kann kein anderer gewesen sein, als der, welchen Plinius nennet. Es beweiset ferner diese Inschrift, daß sich mehr Werke der Kunst, als nur allein drei, wie Plinius will, gefunden haben, auf welche die Künstler das Wort ,gemacht‘ in vollendeter und bestimmter Zeit gesetzet, nämlich εποίησε, fecit: er berichtet, daß die übrigen Künstler aus Bescheidenheit sich in unbestimmter Zeit ausgedrücket, εποίει, faciebat.«
Darin wird Herr Winckelmann wenig Widerspruch finden, daß der Athanodorus in dieser Inschrift kein anderer, als der Athenodorus sein könne, dessen Plinius unter den Meistern des Laokoons gedenket. Athenodorus und Athanodorus ist auch völlig ein Name; denn die Rhodier bedienten sich des dorischen Dialekts. Allein über das, was er sonst daraus folgern will, muß ich einige Anmerkungen machen.
Das erste, daß Athenodorus ein Sohn des Agesanders gewesen sei, mag hingehen. Es ist sehr wahrscheinlich, nur nicht unwidersprechlich. Denn es ist bekannt, daß es alte Künstler gegeben, die, anstatt sich nach ihrem Vater zu nennen, sich lieber nach ihrem Lehrmeister nennen wollen. Was Plinius von den Gebrüdern Apollonius und Tauriskus saget, leidet nicht wohl eine andere Auslegung [[Lib. XXXVI, sect. 4. p. 130]].
Aber wie? Diese Inschrift soll zugleich das Vorgeben des Plinius widerlegen, daß sich nicht mehr als drei Kunstwerke gefunden, zu welchen sich ihre Meister in der vollendeten Zeit (anstatt des εποίει, durch εποίησε) bekannt hätten? Diese Inschrift? Warum sollen wir erst aus dieser Inschrift lernen, was wir längst aus vielen andern hätten lernen können? Hat man nicht schon auf der Statue des Germanicus Κλεομένης – εποίησε gefunden? Auf der sogenannten Vergötterung des Homers ’Αρχέλαος εποίησε? Auf der bekannten Vase zu Gaeta Σαλπίων εποίησε [[Man sehe das Verzeichnis der Auschriften alter Kunstwerke beim Mar. Gudius (ad Phaedri fab. V. lib. I) und ziehe zugleich die Berichtung desselben vom Gronov. (Praef. ad tom. IX. Thesauri antiqu. Graec.) zu Rate]]? usw.
Herr Winckelmann kann sagen: »Wer weiß dieses besser als ich? Aber«, wird er hinzusetzen, »desto schlimmer für den Plinius. Seinem Vorgeben ist also um so öfterer widersprochen; es ist um so gewisser widerlegt.«
Noch nicht. Denn wie, wenn Herr Winckelmann den Plinius mehr sagen ließe, als er wirklich sagen wollen? Wenn also die angeführten Beispiele nicht das Vorgeben des Plinius, sondern bloß das Mehrere, welches Herr Winckelmann in dieses Vorgeben hineingetragen, widerlegten? Und so ist es wirklich. Ich muß die ganze Stelle anführen. Plinius will in seiner Zueignungsschrift an den Titus, von seinem Werke mit der Bescheidenheit eines Mannes sprechen, der es selbst am besten weiß, wie viel demselben zur Vollkommenheit noch fehle. Er findet ein merkwürdiges Exempel einer solchen Bescheidenheit bei den Griechen, über deren prahlende, vielversprechende Büchertitel (inscriptiones, propter quas vadimonium deseri possit) er sich vorher ein wenig aufgehalten, und sagt [[Lib. I p. 5 edit. Hard.]]: Et ne in totum videar Graecos insectari, ex illis mox velim intelligi pingendi fingendique conditoribus, quos in libellis his invenies, absoluta opera, et illa quoque quae mirando non satiamur, pendenti titulo inscripsisse: ut APELLES FACIEBAT, aut POLYCLETUS: tanquam inchoata semper arte et imperfecta: ut contra judiciorum varietates superesset artifici regressus ad veniam, velut emendaturo quidquid desideraretur, si non esset interceptus. Quare plenum verecundiae illud est, quod omnia opera tamquam novissima inscripsere, et tamquam singulis fato adempti. Tria non amplius, ut opinor, absolute traduntur inscripta ILLE FECIT, quae suis locis reddam: quo apparuit, summam artis securitatem auctori placuisse, et ob id magna invidia fuere omnia ea. Ich bitte auf die Worte des Plinius, pingendi fingendique conditoribus, aufmerksam zu sein. Plinius sagt nicht, daß die Gewohnheit, in der unvollendeten Zeit sich zu seinem Werke zu bekennen, allgemein gewesen; daß sie von allen Künstlern, zu allen Zeiten beobachtet worden: er sagt ausdrücklich, daß nur die ersten alten Meister, jene Schöpfer der bildenden Künste, pingendi fingendique conditores, ein Apelles, ein Polyklet, und ihre Zeitverwandte, diese kluge Bescheidenheit gehabt hätten; und da er diese nur allein nennet, so gibt er stillschweigend, aber deutlich genug, zu verstehen, daß ihre Nachfolger, besonders in den spätern Zeiten, mehr Zuversicht auf sich selber geäußert.
Dieses aber angenommen, wie man es annehmen muß, so kann die entdeckte Aufschrift von dem einen der drei Künstler des Laokoons ihre völlige Richtigkeit haben, und es kann demohngeachtet wahr sein, daß, wie Plinius sagt, nur etwa drei Werke vorhanden gewesen, in deren Aufschriften sich ihre Urheber der vollendeten Zeit bedienet; nämlich unter den ältern Werken, aus den Zeiten des Apelles, des Polyklets, des Nicias, des Lysippus. Aber das kann sodann seine Richtigkeit nicht haben, daß Athenodorus und seine Gehilfen, Zeitverwandte des Apelles und Lysippus gewesen sind, zu welchen sie Herr Winckelmann machen will. Man muß vielmehr so schließen: Wenn es wahr ist, daß unter den Werken der ältern Künstler, eines Apelles, eines Polyklets und der übrigen aus dieser Klasse, nur etwa drei gewesen sind, in deren Aufschriften die vollendete Zeit von ihnen gebraucht worden; wenn es wahr ist, daß Plinius diese drei Werke selbst namhaft gemacht hat [[3:Er verspricht wenigstens ausdrücklich, es zu tun: quae suis locis reddam. Wenn er es aber nicht gänzlich vergessen, so hat er es doch sehr im Vorbeigehen und gar nicht auf eine Art getan, als man nach einem solchen Versprechen erwartet. Wenn er z. B. schreibet (Lib. XXXV. sect. 39.): Lysippus quoque Aeginae picturae suae inscripsit, ενέκαυσεν: quod profecto non fecisset, nisi encaustica inventa: so ist es offenbar, daß er dieses ενέκαυσεν zum Beweise einer ganz andern Sache braucht. Hat er aber, wie Hardouin glaubt, auch zugleich das eine von den Werken dadurch angeben wollen, deren Aufschrift in dem Aoristo abgefaßt gewesen: so hätte es sich wohl der Mühe verlohnet, ein Wort davon mit einfließen zu lassen. Die andern zwei Werke dieser Art, findet Hardouin in folgender Stelle: Idem (Divus Augustus) in curia quoque, quam in comitio consecrabat, duas tabulas impressit parieti: Nemeam sedentem supra leonem, palmigeram ipsam, adstante cum baculo sene, cujus supra caput tabula bigae dependet. Nicias scripsit se inussisse: tali enim usus est verbo. Alterius tabulae admiratio est, puberem filium seni patri similem esse, salva aetatis differentia, supervolante aquila draconem complexa. Philochares hoc suum opus esse testatus est. (Lib. XXXV. sect. 10.) Hier werden zwei verschiedene Gemälde beschrieben, welche Augustus in dem neuerbauten Rathause aufstellen lassen. Das zweite ist vom Philochares, das erste vom Nicias. Was von jenem gesagt wird, ist klar und deutlich. Aber bei diesem finden sich Schwierigkeiten. Es stellte die Nemea vor, auf einem Löwen sitzend, einen Palmenzweig in der Hand, neben ihr ein alter Mann mit einem Stabe; cujus supra caput tabula bigae dependet. Was heißt das? Über dessen Haupte eine Tafel hing, worauf ein zweispänniger Wagen gemalt war? Das ist noch der einzige Sinn, den man diesen Worten geben kann. Also war auf das Hauptgemälde noch ein anderes kleineres Gemälde gehangen? Und beide waren von dem Nicias? So muß es Harduin genommen haben. Denn wo wären hier sonst zwei Gemälde des Nicias, da das andere ausdrücklich dem Philochares zugeschrieben wird? Inscripsit Nicias igitur geminae huic tabulae suum nomen in hunc modum: Ο ΝΙΚΙΑΣ ΕΝΕΚΑΥΣΕΝ; atque adeo e tribus operibus, quae absolute fuisse inscripta, ILLE FECIT, indicavit praefatio ad Titum, duo haec sunt Niciae. Ich möchte den Hardouin fragen: wenn Nicias nicht den Aoristum, sondern wirklich das Imperfektum gebraucht hätte, Plinius hätte aber bloß bemerken wollen, daß der Meister, anstatt des γράφειν, εγκαίειν gebraucht hätte; würde er in seiner Sprache auch nicht noch alsdenn haben sagen müssen, Nicias scripsit se inussisse? Doch ich will hierauf nicht bestehen; es mag wirklich des Plinius Wille gewesen sein, eines von den Werken, wovon die Rede ist, dadurch anzudeuten. Wer aber wird sich das doppelte Gemälde einreden lassen, deren eines über dem andern gehangen? Ich mir nimmermehr. Die Worte cujus supra caput tabula bigae dependet, können also nicht anders als verfälscht sein. Tabula bigae, ein Gemälde, worauf ein zweispänniger Wagen gemalet, klingt nicht sehr Plinianisch, wenn auch Plinius schon sonst den Singularem von bigae braucht. Und was für ein zweispänniger Wagen? Etwan, dergleichen zu den Wettrennen in den Nemeäischen Spielen gebraucht wurden; so daß dieses kleinere Gemälde in Ansehung dessen, was es vorstellte, zu dem Hauptgemälde gehört hätte? Das kann nicht sein; denn in den Nemeäischen Spielen waren nicht zweispännige, sondern vierspännige Wagen gewöhnlich. (Schmidius in prol. ad Nemeonicas, p. 2.) Einsmals kam ich auf die Gedanken, daß Plinius anstatt des bigae vielleicht ein griechisches Wort geschrieben, welches die Abschreiber nicht verstanden, ich meine πτύχιον. Wir wissen nämlich aus einer Stelle des Antigonus Karystius, beim Zenobius (conf. Gronovius T. IX. Antiquit. Graec. Praef. p. 8), daß die alten Künstler nicht immer ihre Namen auf ihre Werke selbst, sondern auch wohl auf besondere Täfelchen gesetzet, welche dem Gemälde, oder der Statue angehangen wurden. Und ein solches Täfelchen hieß πτύχιον. Dieses griechische Wort fand sich vielleicht in einer Handschrift durch die Glosse, tabula, tabella erkläret; und das tabula kam endlich mit in den Text. Aus πτύχιον ward bigae; und so entstand das tabula bigae. Nichts kann zu dem Folgenden besser passen, als dieses πτύχιον; denn das Folgende eben ist es, was darauf stand. Die ganze Stelle wäre also so zu lesen: cujus supra caput πτύχιον dependet, quo Nicias scripsit se inussisse. Doch diese Korrektur, ich bekenne es, ist ein wenig kühn. Muß man denn auch alles verbessern können, was man verfälscht zu sein beweisen kann? Ich begnüge mich, das letztere hier geleistet zu haben, und überlasse das erstere einer geschicktern Hand. Doch nunmehr wiederum zur Sache zurückzukommen; wenn Plinius also nur von einem Gemälde des Nicias redet, dessen Aufschrift im Aoristo abgefaßt gewesen, und das zweite Gemälde dieser Art das obige des Lysippus ist: welches ist denn nun das dritte? Das weiß ich nicht. Wenn ich es bei einem andern alten Schriftsteller finden dürfte, als bei dem Plinius, so würde ich nicht sehr verlegen sein. Aber es soll bei dem Plinius gefunden werden; und noch einmal: bei diesem weiß ich es nicht zu finden.]]: so kann Athenodorus, von dem keines dieser drei Werke ist, und der sich demohngeachtet auf seinen Werken der vollendeten Zeit bedienet, zu jenen alten Künstlern nicht gehören; er kann kein Zeitverwandter des Apelles, des Lysippus sein, sondern er muß in spätere Zeiten gesetzt werden.
Kurz; ich glaube, es ließe sich als ein sehr zuverlässiges Kriterium angeben, daß alle Künstler, die das εποίησε gebraucht, lange nach den Zeiten Alexanders des Großen, kurz vor oder unter den Kaisern, geblühet haben. Von dem Kleomenes ist es unstreitig; von dem Archelaus ist es höchst wahrscheinlich; und von dem Salpion kann wenigstens das Gegenteil auf keine Weise erwiesen werden. Und so von den übrigen; den Athenodorus nicht ausgeschlossen.
Herr Winckelmann selbst mag hierüber Richter sein! Doch protestiere ich gleich im voraus wider den umgekehrten Satz. Wenn alle Künstler, welche εποίησε gebraucht, unter die späten gehören: so gehören darum nicht alle, die sich des εποίει bedienet, unter die ältern. Auch unter den spätern Künstlern können einige diese einem großen Manne so wohl anstehende Bescheidenheit wirklich besessen, und andere sie zu besitzen sich gestellet haben.
Dans :« Apelles faciebat » : signatures à l’imparfait(Lien)
(cap. 2), p. 25-27
Sein Künstler schilderte nichts als das Schöne; selbst das gemeine Schöne, das Schöne niedrer Gattungen, war nur sein zufälliger Vorwurf, seine Übung, seine Erholung. Die Vollkommenheit des Gegenstandes selbst musste in seinem Werke entzücken; er war zu groß von seinen Betrachtern zu verlangen, dass sie sich mit dem bloßenkalten Vergnügen, welches aus der getroffenen Ähnlichkeit, aus der Erwägung seiner Geschicklichkeit entspringet, begnügen sollten; an seiner Kunst war ihm nichts lieber, dünkte ihm nichts edler, als der Endzweck der Kunst.
“Wer wird dich malen wollen, da dich niemand sehen will”, sagt ein alter Epigrammatist[[3:Antiochus (Antholog. Lib. II. cap. 43). Hardouin, « Über den Plinius » (lib. 35 sec. 36. p. m. 698), legt dieses Epigramm einen Piso bei. Es findet sich aber unter allen grieschischen Epigrammatisten seiner dieses Namens.]] über einen höchst ungestalten Menschen. Mancher neuere Künstler würde sagen: “Sei so ungestalten wie möglich, ich will dich doch malen.” Mag dich schon niemand gern sehen: so soll man doch mein Gemälde gern sehen; nicht insofern es dich vorstellt, sondern insofern est ein Beweis meiner Kunst ist, die ein solches Scheusal so ähnlich nachzubildern weiß.”
Freilich ist der Hang zu dieser üppigen Prahlerei mit leidigen Geschichlichkeiten, die durch den Wert ihren Gegenstände nicht geadelt warden, zu natürlich, als daß nicht auch die Griechen ihren Pauson, ihren Pyreicus sollten gehabt haben. Sie hatten sie; aber sie ließen ihnen strenge Gerechtigkeit widerfahren. Pauson, der sich noch unter dem Schönen der gemeinen Natur hielt, dessen niedriger Geschmack das Fehlerhafte und Häßliche an der menschlichen Bildung am liebsten ausdrückte[[3:Jungen Leuten, befiehlt daher Aristoteles, muß man seine Gemälde nich zeigen, um ihre Einbildungskraft, soviel möglich, von allen Bildern des Häßlichen rein zu halten. (Polit. Lib. VIII. Cap. 5. p. 526. Edit. Conring). Herr Boden will zwar in dieser Stelle anstatt Pauson Pausanias gelesen wissen, weil von diesem bekannt sei, daß er unzüchtige Figuren gemalt habe (“De umbra poetica”, Comment. I. p. XIII). Als ob man es erst von einem philosophischen Gesetzgeber lernen müßte, die Jugend von dergleichen Reizungen der Wollust zu entfernen! Er hätte die bekannte Stelle in der “Dichtkunst” (cap. II) nur in Vergleichung ziehen dürfen, um seine Vermutung zurückzubehalten. Es gibt Ausleger (z. B. Kühn, über den Aelian Var. Hist. lib. IV. Cap. 3), welche den Unterschied, den Aristoteles daselbst zwischen dem Polygnotus, Dionysius und Pauson angibt, darin setzen, daß Polygnotus Götter und Helden, Dionysius Menschen und Pauson Tiere gemalt habe. Sie malten allesamt menschliche Figuren; und daß Pauson einmal ein Pferd malte, beweiset noch nicht, daß er ein Tiermaler gewesen, wofür ihn herr Boden hält. Ihren Rang bestimmten die Grade des Schönen die sie ihren menschlichen Figuren gaben, und Dionysius konnte nur deswegen nichts als Menschen malen und hieß nur darum vor allen andern der Antropograph, weil er der Natur zu slavisch folgte und sich nicht bis zum Ideal erheben konnte, unter welchem Götter und Helden zu malen ein Religionsverbrechen gewesen wäre.]], lebte in der verächtlichsten Armut[[3:Aristophanes Plu. v. 602 et Acharnens. v. 854.]]. Und Pyreicus, der Barbierstuben, schmutzige Werkstätte, Esel und Küchenkräuter, mit allem dem Fleiße eines niederländischen Künstlers malte, als ob dergleichen Dinge in der Natur so viel Reiz hätten, und so selten zu erblicken wären, bekam den Zunamen des Rhyparographen[[3:Plinius lib. XXXV. Sect. 37. Edit. Hard.]], des Kotmalers; obgleich der wollüstige Reiche seine Werke mit Gold aufwog, um ihrer Nichtigkeit auch durch diesen eingebildeten Wert zu Hülfe zu kommen.
Dans :Piraicos et la rhyparographie(Lien)
(c. II), p. 27, note
[[7:voir le reste dans Piraicos]] Herr Boden will zwar in dieser Stelle anstatt Pauson Pausanias gelesen wissen, weil von diesem bekannt sei, daß er unzüchtige Figuren gemalt habe (“De umbra poetica”, Comment. I. p. XIII). Als ob man es erst von einem philosophischen Gesetzgeber lernen müßte, die Jugend von dergleichen Reizungen der Wollust zu entfernen! Er hätte die bekannte Stelle in der “Dichtkunst” (cap. II) nur in Vergleichung ziehen dürfen, um seine Vermutung zurückzubehalten. Es gibt Ausleger (z. B. Kühn, über den Aelian Var. Hist. lib. IV. Cap. 3), welche den Unterschied, den Aristoteles daselbst zwischen dem Polygnotus, Dionysius und Pauson angibt, darin setzen, daß Polygnotus Götter und Helden, Dionysius Menschen und Pauson Tiere gemalt habe. Sie malten allesamt menschliche Figuren; und daß Pauson einmal ein Pferd malte, beweiset noch nicht, daß er ein Tiermaler gewesen, wofür ihn herr Boden hält. Ihren Rang bestimmten die Grade des Schönen die sie ihren menschlichen Figuren gaben, und Dionysius konnte nur deswegen nichts als Menschen malen und hieß nur darum vor allen andern der Antropograph, weil er der Natur zu slavisch folgte und sich nicht bis zum Ideal erheben konnte, unter welchem Götter und Helden zu malen ein Religionsverbrechen gewesen wäre.
Dans :Polygnote, Dionysos et Pauson : portraits pires, semblables, meilleurs(Lien)
, p. 281-282
Jammer ward die Betrübnis gewildert. Und wo diese Wilderung nicht statt finden konnte, wo der Jammer eben so verkleinernd als entstellend gewesen wäre, — was that da Timanthes ? Sein Gemälde von der Opferung der Iphigenia, in welchem er allen Umstehenden den ihnen eigenthümlichen zukommenden Grad der Traurigkeit ertheilte, das Gesicht des Vaters aber, welches den allerhöchsten hätte zeigen sollen, verhüllte, ist bekannt, und es sind viel artige Dinge darüber gesagt worden. Er hätte sich, sagte dieser, in den traurigen Physiognomien so erschöpft, daß er dem Vater eine noch traurigere geben zu können verzweifelte. Er bekannte dadurch, sagt jener, daß der Schmerz eines Vaters bei dergleichen Vorfällen über allen Ausdruck sei. Ich für mein Teil sehe hier weder die Unvermögenheit des Künstlers, noch die Unvermögenheit der Kunst. Mit dem Grade des Affects verstärken sich auch die ihm entsprechenden Züge des Gesichts ; der höchste Grad hat die allerentschiedensten Züge, und nichts ist der Kunst leichter, als diese auszudrücken. Aber Timanthes kannte die Grenzen, welche die Grazien seiner Kunst setzen ? Er wußte, daß sich der Jammer, welcher dem Agamemnon als Vater zukam, durch Verzerrungen äußert, die allerzeit häßlich sind. So weit sich Schönheit und Würde mit dem Ausdrucke verbinden ließ, so weit trieb er ihn. Des Häßliche wäre er gern übergangen, hätte er gern gelindert ; aber da ihm seine Composition beides nicht erlaubte, was blieb ihm anders übrig, als es zu verhüllen ? Was er nicht malen durfte, ließ er errathen. Kurz, diese Verhüllung ist ein Opfer, das der Künster der Schönheit brachte. Sie ist ein Beispiel, nicht wie man den Ausdruck über die Schranken der Kunst treiben, sondern wie man ihn dem ersten Gesetze der Kunst, dem Gesetz der Schönheit, unterwerfen soll.
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(XXIV)
Aristoteles gibt eine andere Ursache an, warum Dinge, die wir in der Natur mit Widerwillen erblicken, auch in der getreuesten Abbildung Vergnügen gewähren; die allgemeine Wißbegierde des Menschen. Wir freuen uns, wenn wir entweder aus der Abbildung lernen können, τί έκαστον, was ein jedes Ding ist, oder wenn wir daraus schließen können, ότι ουτος εκει̃νος, daß es dieses oder jenes ist. Allein auch hieraus folget, zum Besten der Häßlichkeit in der Nachahmung, nichts. Das Vergnügen, welches aus der Befriedigung unserer Wißbegierde entspringt, ist momentan, und dem Gegenstande, über welchen sie befriediget wird, nur zufällig; das Mißvergnügen hingegen, welches den Anblick der Häßlichkeit begleitet, permanent, und dem Gegenstande, der es erweckt, wesentlich. Wie kann also jenes diesem das Gleichgewicht halten? Noch weniger kann die kleine angenehme Beschäftigung, welche uns die Bemerkung der Ähnlichkeit macht, die unangenehme Wirkung der Häßlichkeit besiegen. Je genauer ich das häßliche Nachbild mit dem häßlichen Urbilde vergleiche, desto mehr stelle ich mich dieser Wirkung bloß, so daß das Vergnügen der Vergleichung gar bald verschwindet, und mir nichts als der widrige Eindruck der verdoppelten Häßlichkeit übrig bleibet. Nach den Beispielen, welche Aristoteles gibt, zu urteilen, scheinet es, als habe er auch selbst die Häßlichkeit der Formen nicht mit zu den mißfälligen Gegenständen rechnen wollen, die in der Nachahmung gefallen können. Diese Beispiele sind: reißende Tiere und Leichname. Reißende Tiere erregen Schrecken, wenn sie auch nicht häßlich sind; und dieses Schrecken, nicht ihre Häßlichkeit, ist es, was durch die Nachahmung in angenehme Empfindung aufgelöset wird. So auch mit den Leichnamen; das schärfere Gefühl des Mitleids, die schreckliche Erinnerung an unsere eigene Vernichtung ist es, welche uns einen Leichnam in der Natur zu einem widrigen Gegenstande macht; in der Nachahmung aber verlieret jenes Mitleid, durch die Überzeugung des Betrugs, das Schneidende, und von dieser fatalen Erinnerung kann uns ein Zusatz von schmeichelhaften Umständen entweder gänzlich abziehen, oder sich so unzertrennlich mit ihr vereinen, daß wir mehr Wünschenswürdiges als Schreckliches darin zu bemerken glauben.
Dans :Cadavres et bêtes sauvages, ou le plaisir de la représentation(Lien)